Drei Schülerinnen der Q1, Rieke Klee, Julia Rotert und Jimena Ossio Bustillos nehmen an dem Projekt „Gesichter meiner Stadt“ teil. Das Projekt „Gesichter meiner Stadt“ zeigt die internationale und multikulturelle Vielfalt einer Stadt, insbesondere um ein Zeichen gegen Rassismus und Vorurteile zu setzen. Die Jugendlichen werden dazu in Workshops zu Reportern ausgebildet, um dann Geschichten von Menschen aufzuschreiben, die aus aller Welt nach Münster gekommen sind.

Mehr über das Projekt können Sie hier erfahren.

Ein Interview von Julia Rotert ist bereits in der WN erschienen.

 

  Mo., 18.04.2016

Victoria Casper-Anthonys Eltern stammen aus Sri Lanka

Dreisprachige Kindheit

 

Victoria Casper-Anthony hat ihre Wurzeln in Sri Lanka. Foto: Julia Rotert

 Münster-Nienberge - 

Victoria Casper-Anthony hat ihre Wurzeln in Sri Lanka. Sie ist gleich mit drei Sprachen aufgewachsen.

Von Julia Rotert

„Ajovoban“, „Wanakam“ und „Hallo“. Zur Begrüßung ein fröhliches Lächeln und eine herzliche Umarmung. Wenn Selina den Raum betritt, verbreitet sich augenblicklich gute Stimmung und es gibt immer etwas zu Lachen.

Selina spricht drei Sprachen fließend, denn ihre Eltern stammen aus zwei unterschiedlichen Gebieten Sri Lankas. Die Mutter aus Kendy im singhalesischen Teil, der Vater aus Colombo im tamilischen Teil. Die 17-Jährige wurde zwar in Münster geboren. Jedoch verraten ihre dunkelbraunen Augen und die noch dunkleren Haare sofort ihre indischen Wurzeln.

Die beiden Elternteile kannten sich auf der Flucht 1985 vor dem sri-lankischen Bürgerkrieg nur flüchtig. In Kuwait aber trafen sie sich wieder und trotz Krieg zwischen den beiden Landesteilen und „wirklich komplett verschiedener“ Sprachen wurden sie nicht an einer heimlichen Heirat dort gehindert.

Die Autorin

Julia Rotert, 17, Jahrgangsstufe 11, Ratsgymnasium

Die weitere Reise führte die jungen Erwachsenen über Amsterdam nach Münster. Ihr Glück: Am Hauptbahnhof wurden sie trotz Verständigungsschwierigkeiten von einem älteren Herren mit nach Nienberge genommen. Sie fanden Hilfe in der katholischen Kirchengemeinde und fanden auch dort Arbeit. In Nienberge wohnen sie auch heute noch, mit ihren Kindern im eigenen Haus.

Selina Victoria Casper-Anthony ist ihr voller Name. Ihre Mutter wollte keinen typisch tamilischen oder singhalesischen Namen für Selina.

Europäisch klingen auch die Namen ihrer zwei großen Brüder. Roy und Leo. Die beiden sind 25 und 28 Jahre alt und wie Selina in Deutschland geboren. Nicht nur in der Namensgebung war ihre Mutter bemüht, sich dem neuen Heimatland anzupassen. Schon als kleines Kind besuchte Selina eine Krabbelgruppe, um möglichst viel Deutsch zu sprechen.

„Ich hatte nie wirklich Probleme mit der Sprache“, sagt sie. Für sie war immer selbstverständlich, Deutsch zu können. Sri Lanka ist dennoch wie eine zweite Heimat. Regelmäßig wird die Verwandtschaft dort besucht. „Viel zu oft“, wie Selina beklagt „ich war wirklich schon überall dort.“

Selinas Mutter war mit einer ihrer sieben Schwestern aus Sri Lanka geflohen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Die Schwestern der Mutter sind für Selina „ihre anderen Mütter“. Bis heute nennt Selina sie „Amma“, der singalesische Ausdruck für Mama.

Cousinen und Cousins sind Schwestern und Brüder. Der Familienzusammenhalt ist enger als in Deutschland. „Hier ist es ja so, dass die Familien oft verstreut leben und manchmal nur an Weihnachten zusammentreffen“, sagt Selina. In Sri Lanka wohnt fast die gesamte Familie mütterlicherseits in einem kleinen Dorf. Selina vergleicht es in der Größe mit ihrem Heimatort Nienberge. Jeder kennt jeden.

Vieles ist in Sri Lanka noch „abenteuerlich“, findet Selina. Sicherheit wird eher klein geschrieben und die Realität wirkt wie ein Film. Gepimpte Busse und klapprige Threewheels, die immer drohen umzukippen, tuckern an steilen Abhängen vorbei und sammeln ab und zu Fahrgäste an Straßenecken auf, die dann ihr handgeschriebenes Ticket erhalten. Mit Deutschland nicht zu vergleichen. Als Mädchen würde sie auf Sri Lanka auch niemals alleine fahren. Das sei einfach zu gefährlich.

Mit strahlenden Augen erinnert sie sich an ihre Kindergartenzeit: „Sie war wundervoll!“. Besonders, wenn sie darüber nachdenkt, unter welchen Bedingungen die Kinder auf Sri Lanka aufwachsen, schätzt sie es, in Deutschland aufgewachsen zu sein. Das Leben in Sri Lanka sei deutlich härter, die Zukunftschancen gering. Sie selbst hatte nie Probleme in der Schule und konnte sich immer auf die Unterstützung ihrer deutschen Paten verlassen.

Heute gibt sie Nachhilfe in Deutsch und setzt sich für Flüchtlinge ein. „Ich kann es nachempfinden“ sagt sie. Die Geschichten der Kinder, mit denen Selina arbeitet, sind ihrer eigenen sehr ähnlich, aber trotzdem ist sie immer wieder dankbar. In ihrer Freizeit spielt sie hobbymäßig Volleyball und trägt für die Gemeinde Zeitungen aus.

Nach dem Abitur möchte Selina Medizin studieren. Der Entschluss steht schon lange fest. Selina lernte auf Urlaubsreisen das Elend von todkranken Kindern in Sri Lanka kennen. Da fasste sie den Beschluss, später Ärztin zu werden und Menschen zu helfen, denen die Mittel fehlen, für ihre Gesundheit zu sorgen. Am liebsten in Sri Lanka.

Auch Selinas Eltern zieht es wieder zurück in ihr Herkunftsland. Im Dorf der Familie haben sie ein Haus gebaut, in dem sie schon jetzt jeden Urlaub verbringen. Wenn Selina, als jüngstes ihrer Kinder, auf eigenen Beinen steht, möchten sie wieder in Sri Lanka wohnen.

Wohl fühlt die Familie sich in beiden Ländern. „Ich bezeichne mich selbst liebevoll als Mischling“. Amüsiert erzählt sie, dass sie in Deutschland die Dunkle sei, aber in Sri Lanka beinahe als weiß auffällt.

Mit ihrer Hautfarbe hatte sie aber noch nie Probleme. Es ist für sie selbstverständlich. Wenn sie sich zum Beispiel im Kindergarten selbst gemalt hat, sei sie immer braun, schwarz oder rot. Zum Schluss erzählt sie lachend davon, wie sie letztens von einem kleinen Mädchen beim Malen gefragt wurde, ob für sie Hautfarbe auch Hautfarbe sei. „Ich hab das nie in meinem Leben hinterfragt, nie! Es war immer dieses helle Rosa.“

Gesichter meiner Stadt

Schüler von fünf münsterischen Schulen schreiben im Projekt „Gesichter meiner Stadt“ Geschichten von Menschen auf, die aus aller Welt gekommen sind. So entsteht eine Weltkarte der Vielfalt Münsters. Projektinitiatoren sind die Journalisten Steffen Oetter und Dr. Tobias Romberg (www.gesichter-meiner-stadt.de).